Die Welt ist schlecht, keine Frage, und alles wird
schlimmer. Und trotzdem gibt es in diesem Jammertal manche Sachen, die einen
fast zu dem Glauben bewegen könnten,
dass die Philosophen des 18. Jh., die den Fortschritt der Menschheit so
eifrig ausriefen, doch nicht ganz wahnsinnig waren. Ein klares Beispiel: die Geschichte der Männerunterhose:
Wenn man von den Feigenblättern absieht, mit denen
unsere Ureltern nach dem Konsum der verbotenen Frucht ihre Scheu kleideten, war
der Lendenschurz das Erste, womit das
Menschengeschlecht sein Geschlecht verheimlichte: ein windelartiges Konstrukt,
mal aus Leder, mal aus Stoff, das alle urtümlichen Völker trugen – und das
etwas später von Mohandas Karamchand
Gandhi wieder eingeführt werden sollte (Gott sei Dank ohne viel Erfolg).
In dieser Kärglichkeit (oder in luftigen Togen, aber
unter ihnen gingen die alten Griechen ‚commando’,
wie man so schön sagt) liefen wir einige Jahrhunderte lang umher, bis sich im
Mittelalter, höchstwahrscheinlich durch barbarischen Einfluss, die Brouche oder (eine Art) lange Unterhose durchsetzte. Die trugen
sowohl Könige als auch Hofnarren durch die Zeit.
Im späten 19. Jh. hat sich daraus das beliebte Union-Suit oder die lange Hemdhose entwickelt. Heute aber wird sie nur von Cowboys getragen – oder eben von Narren. (Seit einigen Monaten versucht Zara, die lange Hemdhose als Modeobjekt wieder zu aktivieren – wir werden das Scheitern dieses Versuchs herzlich begrüßen.)
Das 20. Jh. brachte große Verbesserungen mit sich.
1934 erfand Arthur Kneible, Bekleidungsingenieur aus Chicago, den Jockey oder Slip. Das war der Anfang der modernen
Unterhose bzw. der Unterhose als Mode.
30.000 Stücke hat man in 3 Monaten verkauft und es ist nicht schwer, diese
Sensation zu verstehen: man war von unnötigen Stoffhüllen befreit worden und
erlebte dadurch zum ersten Mal die Dynamik, die nur eine zweite Haut anbieten
kann.
In gewisser Hinsicht war man, jeder Mann war, zu einem Sportler geworden. Und so verwirklichte Kneible den Traum, der der Mode Leben verleiht: Ein Produkt zu schöpfen, das die Projektion dessen ist, was wir sein wollen. (Die anderen Formen von Männerunterhosen des 20. Jh. haben genau dasselbe gemacht – auch, natürlich, das Monstrum: der Stringtanga…)
Im späten 19. Jh. hat sich daraus das beliebte Union-Suit oder die lange Hemdhose entwickelt. Heute aber wird sie nur von Cowboys getragen – oder eben von Narren. (Seit einigen Monaten versucht Zara, die lange Hemdhose als Modeobjekt wieder zu aktivieren – wir werden das Scheitern dieses Versuchs herzlich begrüßen.)
Einfältige Freude |
In gewisser Hinsicht war man, jeder Mann war, zu einem Sportler geworden. Und so verwirklichte Kneible den Traum, der der Mode Leben verleiht: Ein Produkt zu schöpfen, das die Projektion dessen ist, was wir sein wollen. (Die anderen Formen von Männerunterhosen des 20. Jh. haben genau dasselbe gemacht – auch, natürlich, das Monstrum: der Stringtanga…)
Heute, 80 Jahre später, ist der Untergang des Slips klar. Die gegenwärtige Slip-Ikone: Homer Simpson.
Denn nach dem Reich des Jockeys war noch die Ära der Boxershorts zu kommen. Eingeführt wurden sie zum ersten Mal in ihrer weiten Passform im Jahre 1925. Anfangs wurden sie vom Slip in den Schatten gestellt, erlebten aber in den 80ern ein Revival. Die weiten Boxershorts waren die Modeantwort auf ein Modebedürfnis – die Entfernung vom inzwischen etablierten Slip – daher ihr anfänglicher Erfolg.
Aber sie waren nur eine Zwischenstufe. Die Vollendung dieser Geschichte kam ca. 1990 als Unternehmen wie Calvin Klein (Hand in Hand mit ‚Marky Mark‘) das definitive Kunstwerk in den immer hungrigen Markt der Mode wieder einführten: die Boxerbriefs.
Die Boxerbriefs sind
ein perfektes Mode-Ding. Gegenüber den weiten Boxershorts sind ihre Vorteile bekannt:
(1) Stützung:
in den Boxerbriefs bleibt alles, wo es bleiben muss. Es fehlen zwar noch
akkurate Daten über die von Boxershorts verursachten Langzeitatrophien des
Mannes besten Stücks (plus dazugehöriger Maschinerie). Es würde aber reichen,
jeden subversiven Jüngling, der Boxershorts noch trägt, zu zwingen, den
Berlin-Marathon darin zu laufen.
(2) Festigkeit: die Boxerbriefs bleiben, wo sie bleiben müssen. Die Boxershorts dagegen tanzen um die Hüfte herum, sie bilden Stoffblasen, sie schauen aus der Hose heraus (eine wiederum unergründliche Burschenmode). Sie verstoßen also gegen alle Vernunftregeln der männlichen
(3) Ästhetik: denn die Boxerbriefs sind schlicht.
(2) Festigkeit: die Boxerbriefs bleiben, wo sie bleiben müssen. Die Boxershorts dagegen tanzen um die Hüfte herum, sie bilden Stoffblasen, sie schauen aus der Hose heraus (eine wiederum unergründliche Burschenmode). Sie verstoßen also gegen alle Vernunftregeln der männlichen
(3) Ästhetik: denn die Boxerbriefs sind schlicht.
Auch dem Slip sind die Boxerbriefs überlegen. Aber
warum? Im ersten Moment scheint hier die Sache komplizierter zu sein. Ist sie
aber nicht, sie ist nur subtil. Nach ausgedehnten Umfragen in der Damenwelt
habe ich herausfinden können: der Vorteil des Boxerbriefs gegenüber dem Slip
ist erklärbar. Er ist nämlich ästhetisch-psychologischer
Natur: die Slips haben etwas Weich[eilich]es, Unmännliches. Nicht unbedingt
etwas Feminines, eher etwas – Kindisches.
Wenn
das stimmt (es stimmt), dann kann man
allegorisch und wörtlich die
Fortschrittsgeschichte der modernen Männerunterhose in drei Phasen erfassen:
Slips für das Kind, Boxershorts für den ‚rebellischen’ Teenie. Männer tragen
Boxerbriefs.
© HDCA, 2011