18.11.11

Männer, Hosen, Farben: Wie passt das zusammen?

Der Sommer ist längst weg, wir vermissen ihn nicht: es war kein Sommer. Man darf wieder Mäntel tragen ohne den lieben Gott fragen zu wollen, warum. Aber etwas, das trotz der miesen Temperaturen allerorts zu sehen war, raubt mir noch den Schlaf: diese modischen farbigen Männerhosen – ich korrigiere: diese farbigen Hosen bei Männern. Tausend Newsletter proklamierten: „Der Renner im Sommer 2011: die rote Hose. Aber auch in Orange, Pink, Grün oder kräftigem Blau kleiden sich die Beine“…

Und ich habe sie alle in ihrem Neonprunk gesehen, pünktlich zum Sommeranfang, raus aus den Geschäften an die Schenkel der verführbaren Jugend. Aber nicht nur sie: dem Traum der ewigen Pubertät folgend, auch die Erwachsenen und – die alten Herren. Und neulich las ich: „Herbsttrend 2011: bunte Hosen“!

Kleine Galerie des Clownischen

Wie funktioniert das? Wie kommt man dazu? Warum die knallrosige Hose? Es ist ungefähr so: die modebewusste Werbung – oder die modebewusste Liebespartnerin – drängt einem mit modebewussten Argumenten und Schikanen auf, die ‚trendigen‘ Dinger anzuprobieren. Der Erfolg dieser Argumente beruht darauf, dass zwei unserer intimsten Mode-Glaubenssätze angesprochen werden:

i) Gut oder sogar ‚interessant’ angezogen zu sein ist modisch gekleidet zu sein. Und modisch gekleidet zu sein ist – hervorzustechen.
ii) Farben lassen uns jung, frisch, locker oder wie immer man es nennen will, aussehen.

Aber kann man wirklich in der rosaschreienden Hose gut angezogen sein? Ich glaube nicht. Denn gut angezogen zu sein heißt nicht, hervorzustechen – was die pinke Hose tut (das ist ja ihre raison d’être). Dass es so ist, vermuten wir alle instinktiv. Ein Beispiel: wir haben die angeborene ästhetische Idee, Schwarzweißfotographien seien geschmackvoll. Warum? Weil bei schwarzweiß alles Understatement ist, alles suggeriert, daher die Anziehung.

Genauso verhält es sich bei der Mode. (Ich spreche zunächst über die Männermode.) Was beim Gut-Angezogen-Sein gefordert wird, ist nicht der erste sondern der zweite Blick, und nämlich durch das, was beim ersten Blick auffällt, gerade, weil es nicht auffällt. So die höchste Dialektik der Mode. Der merkwürdige Saum der Hose, die Form der Jackettaschen, die intelligenten Strümpfe. Das, was man nur sieht wenn man hinsieht.

Die pinke, die neongrüne, die orange Männerhose fällt beim ersten Blick blendend auf. Beim zweiten ist sie eine irritierende Monotonie. Beim dritten eine Albernheit.

Und wer sagt, dass Farben jünger machen? Die Seniorenberater! Gut, früher sagte und schwor und schwur man, Querstreifen machen dick. Wie der Physiker Hermann von Helmholz und der Psychologe Peter Thompson bewiesen – der erste vor hundertfünfzig Jahren, der zweite vor vier – ist das falsch. Ich werde also glauben, dass Farben jünger machen wenn mir eine Studie des Max-Planck-Farbenforschungsinstituts vorliegt, vorher nicht.

Wie jedem aufmerksamen Beobachter klar ist: jung oder locker auszusehen hängt eher vom Stoff und vom Schnitt ab, von der Form, wie die Kleider sich unserem Körper anpassen. Da liegt die größte Kunst. Ein guter Schnitt macht dynamisch (denkt an die Geschichte vom ‚dicken, glatzköpfigen Mann‘ vom Sartorialist Scott Schuman). Die auffälligste Farbkombination kann das Biederste auf der Welt sein, wenn die Form nicht stimmt. Im Übrigen, auch hier gilt die ewige Wahrheit: Nur eins macht jung: jung zu sein.

Es gibt einen dritten Grund für die knallfarbige Hose: auffallen. – Aber was soll man dazu sagen?

© HDCA, 2011