Die oppositionelle
Gestik des Hipsters – so Kritiker wie Mark
Greif – ist eine Farce, seine political incorrectness eine Fassade. Diese These beruht auf zwei Feststellungen:
1) Der
Hipster ist apolitisch. Wenn es eine Hipster-Rebellion gibt, findet sie nur
dort statt, wo Individualität und Geschmack angesprochen werden. Was
Greif über den New Yorker Hipster schreibt, scheint auf den ‚globalen Hipster’
bezogen werden zu können: die Hipster zeigen, was passiert, wenn „Eliten im
Allgemeinen und die weiße Mittelschicht spezifisch ihre Rebellion nur in Bereichen austragen, die ihr eigenes Vergnügen
und ihren Komfort betreffen“ (S. 18): Mode, Musik, Design…
Eine antikonsumistische Haltung ist darum
abwesend (im Gegenteil: der Hipster steht für eine Verfeinerung des Konsums). Die antibürgerliche Exzentrizität soll
im ästhetischen, nicht im politischen
Sinne verstanden werden. Und so ist der
Hipster hinter dem Oppositionsvorwand eigentlich konservativ. Wenn man von einer Hipster-Ideologie sprechen
möchte, dann geht es hier lediglich um eine Art
Ideologie des guten Geschmacks.
2) Dementsprechend besteht die große
‚verändernde‘ Begabung des Hipsters vor allem darin, alltägliche Gegenstände geschickt in zu begehrende, kunstartige Artikel
umzuwandeln, gewöhnliche Dinge als
Instanzen eines auserlesenen Geschmacks zu interpretieren. Durch diese
Interpretation wird aber auch ihre Vermarktung angetrieben.
So haben wir die zunächst einfach nur exzentrischen
Frisuren, Klamotten, Accessoires, die dann Mode
werden, die minimalistischen Rennräder, die den früheren ‚Hype‘ der
Mountainbikes verfinstern, die Second-Hand-Kleider, die derweil teurer als die
neuen sind. Das Gleiche, könnte man fast sagen, gilt für die Einstellung der Coolness überhaupt.
Interessant dabei ist nicht so sehr, dass unbedeutende Motive zur Kunst,
sondern zu Konsumobjekten werden, zu Waren. (So muss die ganz
linksamerikanische Aussage Greifs in der F.A.Z verstanden werden:
„sosehr ich Warhol schätze, ich denke, es
wäre besser, er hätte nicht existiert“…)
Diese Begabung, das Gewöhnliche, in diesem
Fall Räume, zu mystifizieren, beschreibt sehr gut Tobias Rapp in seiner
Darstellung der Entwicklung – oder man möchte sagen: der Schöpfung – der Gegend um den Berliner Hackeschen Markt nach dem
Mauerfall:
„Der
Berlin-Mitte-Hipster, der diese Gegend einmal kolonisierte, hatte […] im Grunde
nur eine hervorstechende Fähigkeit: Er wusste mit Raum umzugehen. […] Die Räume
waren da, sie warteten darauf, interpretiert und bespielt zu werden“ (S.
162).
Nach Rapp erfolgte die allmähliche Eroberung
durch das Wohnen und das Schaffen einer (anfangs geheimen, danach etablierten)
Szene in der Form von Clubs und Galerien. Auch hier wird das Marginale oder Verruchte durch die Vermittlung einer
kunstartigen Interpretation zum ‚Szenigen’, Coolen,
oder wie immer man es nennt. (Derselbe Prozess der Neuerfindung traditioneller,
melting-pot- oder gar
unterentwickelter Großstadtgegenden beschreibt Greif für seine New Yorker
Viertel.)
Was danach passiert, ist klar:
Einerseits die nachfolgende Übernahme (und Weitererfindung) der Räume,
die der Hipster einst erfunden hatten, seitens des Marktes. (Rapp: „So kamen dann irgendwann die großen
Modekonzernen aus aller Welt…“ [S. 163].)
Andererseits die gefürchtete ‚Gentrifizierung’: jene
Menschen- und Stadtentwicklung, die in diesen Zeiten trendiger Kapitalismuskritik
zu einem trendigen Begriff geworden
ist – und die sehr zu genießen ist (solange man das Geld dafür hat).
Greif erzählt von der Verjagung der Ureinwohner, der Verschwindung traditioneller
Kleinlokale, der Verteuerung und insgesamt der Standarisierung der Lower East Side, einer Gegend, die man
„einst für ihre Authentizität gepriesen hatte“. Rapps Bericht ist auch
eloquent: von den ‚alternativen’ Läden um den Hackeschen Markt scheint fast
ausschließlich das ‚Café Cinema’ als eine Art Insel mitten H§M-, Fred Perry-Filialen und Touristen zu überleben.
Und Die
Welt fasst alles zusammen: „Erst entdecken die Hipster einen ehemals
heruntergekommenen Bezirk (wie Neukölln) für sich, dann springen die
Immobilienmakler auf und zum Schluss setzen die organisierten pub crawls den Genickschuss - hier geht nichts mehr, Kiez
ausgeblutet. Zu dem Zeitpunkt ist der Hipster längst weitergezogen. Zurück
bleiben genervte Anwohner, die über gestiegene Mieten klagen.“
Der Hipster ist kein Rebell. Er ist eine
Art freiwilliger und doch
unbeabsichtigter Agent des Kapitalismus. Was auf dem ersten Blick als
Exzentrizität oder sogar Avantgarde erscheint, ist – Trendsetting. (Der Hipster fungiert als „Mittelsmann zwischen der Straße und den Marketing-Abteilung der
Konsumgüterindustrie“ [Rabe, S. 190].)
Man fragt sich natürlich, ob dieses
Schreckensbild stimmt. Zum einen klingt das alles nach der immer wieder kehrenden, fatalistischen Klage einer antiquierten
Generation gegenüber einer – immer wiederkehrenden – lasterhaften Jugend. Zum
anderen ist die kritische Darstellung des Hipsters als scheinrebellischer, konsumorientierter, heuschreckenartiger und letzten
Endes naiv-ironischer ‚junger Mensch’ eine idealisierte
Darstellung – und, ach ja: ‚jeder
Mensch ist eine Welt für sich‘ usw.
Das Problem ist aber, erstens, dass der
Hipster gar kein Vertreter einer ‚lasterhaften’ Gegenkultur ist, sondern bloß
ein raffiniertes Nebenprodukt und Instrument von etwas wie einem
‚Kapitalismus-Weltgeist‘ hinter der Tarnung der Gegenkultur.
Zweitens, Greifs Reflektionen entstehen
aus Beobachtungen des Verhaltens der (neu)Bewohner spezifischer amerikanischer
Viertel. Rapps Thesen aus der Geschichte der ‚Normalisierung’ von Berlin-Mitte.
Es ist leicht festzustellen, dass solche Reflektionen und Thesen sich auf das
Hier und Heute ganz einfach übertragen lassen.
In diesem Sinne kann man gespannt sein,
wann das erste Starbucks (o.Ä.) in Berlin-Neukölln aufmacht. Und wie es dann
weiter geht (man denke z.B. an die junge Entwicklung des Berliner Rosenthaler
Platzes).
Greifs Fazit ist, trotz allem,
optimistisch: „Wenn diese
konsumorientierte Kultur im hoffnungsfrohen Zeitalter von Barack Obama überlebt
und sich verändert, dann werden ihre Anhänger vielleicht immer noch shoppen
gehen – aber vielleicht haben sie ja eine vernünftiger zusammengestellte
Einkaufsliste“ (S. 140)…
Abgesehen von der inzwischen deprimierenden
Referenz auf Obamas ‚hoffnungsfrohes Zeitalter‘, scheint es schwer Greifs
Hoffnungen zu teilen. Besser: in diesem
Kontext ist es sinnlos über Hoffnungen zu sprechen:
Der
Hipster ist ein Produkt der Welt, wie sie ist. Der ist doch kein Teufel. Im Übrigen – wie jemand kürzlich das Thema etwas prosaisch
zusammenfasste – macht nicht dieser sogenannte Hipster dasselbe wie wir alle: ganz authentisch sein zu wollen – und dabei
ganz Mainstream zu bleiben?
© HDCA, 2012