[Erschienen in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung am 20. Jan. 2013]
Zur Berliner Fashion Week, die heute endet, gehört es seit jeher, dass man sie gern verspottet. Berlin könne eben nicht mit New York, London, Mailand und Paris mithalten und so weiter. Die berufstätige Berlinerin trage ja im Winter am liebsten einen grauen Anorak mit schwarzer Schlaghose und Deichmann-Schuhen, und der berufstätige Mann im Sommer ein kurzärmeliges Hemd mit Kravatte. Der Yves Saint Laurent Berlins sei ein komischer Typ namens Michalsky, der eine Style-„Nite“ veranstaltet; und in den Luxusboutiquen auf der Friedrichstrasse kaufen nur vereinzelt Russinnen ein. Kurz: der Berliner weiß nichts von Mode – und will auch nichts davon wissen.
Alle auf den Catwalk - Modenschau in Berlin Kreuzberg |
Zur Berliner Fashion Week, die heute endet, gehört es seit jeher, dass man sie gern verspottet. Berlin könne eben nicht mit New York, London, Mailand und Paris mithalten und so weiter. Die berufstätige Berlinerin trage ja im Winter am liebsten einen grauen Anorak mit schwarzer Schlaghose und Deichmann-Schuhen, und der berufstätige Mann im Sommer ein kurzärmeliges Hemd mit Kravatte. Der Yves Saint Laurent Berlins sei ein komischer Typ namens Michalsky, der eine Style-„Nite“ veranstaltet; und in den Luxusboutiquen auf der Friedrichstrasse kaufen nur vereinzelt Russinnen ein. Kurz: der Berliner weiß nichts von Mode – und will auch nichts davon wissen.
Das alles stimmt. Das sagen auch die Berliner, denen es ganz
viel Spaß zu machen scheint, zweimal pro Jahr ausgiebig über die Fashion Week
zu schimpfen. Dieser Unmut ist aber mehr Koketterie als etwas anderes, denn
keiner kann am Ende verbergen, dass er sich über die Invasion von modischen
Marsmenschen doch sehr amüsiert. Ein Taxifahrer, gefragt nach seiner Meinung, antwortet
belustigt: „Die stinken mir mit dem Parfüm das ganze Auto voll!“. Und nach
einer Modenschau im Mercedes-Benz-Zelt hinter dem Brandenburger Tor sagt ein Mädchen
scheinbar genervt zur rauchenden Runde: „Das war ungefähr so spannend, wie wenn
ich die Augen schliesse“. Nach der Zigarette geht sie wieder schwungvoll hinein.
Das Spiel der Berliner mit der Fashion Week ist ein bisschen wie
der Balztanz, der sich vor dem Zelt abspielt: Das steht ein Mann, eine Kamera
mit riesigem Objektiv in der Hand, und schaut sich um. Da steht eine Frau, eine
Kamera um den Hals, redet mit einer Freundin und schaut sich um. Er trägt ein
weinrotes Samtsakko, Röhrenjeans und
eine Pelzmütze und beobachtet sie: Sie trägt schwarze Leggings in
Lederoptik, eine Seidenbluse mit Pailletten an den Schultern und Plateau-High-Heels.
Dazu einen übergroßen Mantel aus Pelzimitat, auf dem Kopf einen Cowboy-Hut. Als
er entschlossen auf sie zugeht, guckt sie schnell in die andere Richtung. Nachdem
er sie anspricht, fragt sie skeptisch und etwas herablassend, wofür denn das
Bild sei. Für einen Street-Style-Blog. Das Mädchen zuckt mit den Schultern: Okay.
Da macht sie ihr bestes Spiegelgesicht, der Blick zwischen sachlich und
gelangweilt. Hinterher geht das Mädchen wieder zur Freundin, und als der
Fotograf nicht mehr in Hörweite ist, machen beide grosse Augen und kichern aufgeregt.
Und die eine sagt der anderen: „Heeyy!!!“
© HDCA, 2013